Ernestine Hahman
 
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21 Jahre alt, Deutsche, 1861 in Leipzig geboren


Ich habe in Heidelberg meine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Zusammen mit der Lernschwester Hildegard, der ich freundschaftlich eng verbunden bin, ging ich nach dem Abschluss der Ausbildung anschliessend an der Seite eines Missionars nach Afrika.

Als ich in Kenia die Führung des Feldlazaretts übernahm, bekam ich die ersten Kontakte zur "einheimischen Medizin". In Afrika werden viele Pflanzen und Mineralien als Drogen eingesetzt. Da Anästhetika in Afrika kaum oder nur in geringen Mengen zur Verfügung standen, empfand man das Erlernen der Drogenanwendung für rein medizinische Zwecke legitim. Natürlich lernte ich auch die Erstellung und  Anwendung von rauschfördernden Drogen, um deren Einsatzmöglichkeiten im medizinischen Sinne zu studieren.


Während meiner Zeit im Lazarett pflegte ich "TK O'Bunga", einem dem Tode geweihten Massai. Über die lange Zeit der Pflege entstand ein inniges Verhältnis, aus dem letztlich eine zarte Liebe entstand. Ich ahnte nicht, dass es die einzige Liebe meines Lebens bleiben sollte. Diese Liaison hatte einen Sohn zur Folge. Ich nannte ihn: Wilhelm.

In dieser schwierigen Zeit konnte ich meinen Sohn aber nicht behalten, denn wenn der Stamm von TK O'Bunga von einem Mischkind erfahren hätte, würde O'Bunga für immer verstossen werden und ich selbst konnte das Lazarett nicht mit einem Kleinkind an der Seite führen. So sorgte ich dafür, dass er in einer christlichen Mission aufgenommen wurde. Meine Freundin, Lernschwester Hildegard, war nämlich die Leiterin der Mission geworden und sie nahm meinen Sohn an Kindes statt auf.


Ich vereinbarte mit Hildegard genügend Geld für Nahrung und Ausbildung an die Mission zu schicken, bis Wilhelm 18 Jahre alt sein würde. Dann wollte ich ihn abholen und mit ihm ein neues Leben in Europa beginnen. Aber nach einem Jahr brannte das Lazarett völlig nieder und der Missionar kam in den Flammen um. Von einen auf den anderen Tag war damit auch die Geldquelle, die der Missionar für das Lazarett aufgetan hatte, verloren.

Um weiterhin Geld an die Mission schicken zu können, und um selbst ein bescheidenes Leben auf eigenen Füssen führen zu können, beschloss ich meine Kenntnisse über exotische Gifte in Geld umzuwandeln und baute das Lazarett in eine Drogenküche um. Es war zu der Zeit, als TK O'Bunga mit seinem Stamm weiterziehen musste, um neue Weidegründe für das Vieh und neue Anbauflächen für Getreide zu finden. Aber als er mich verließ, verfiel ich in eine tiefe Depression.


Über 6 Monate schloss ich mich in meine Drogenküche ein: braute, kochte und experimentierte. Schlaf war ein Fremdwort. Mit höchster Selbstdisziplin bis hin zur Selbstaufgabe arbeitete ich bis zur physischen und psychischen Erschöpfung. Diese Zeit prägte mich nicht nur innerlich sondern auch äußerlich: dereinst eine nette, sympathische und äußerlich reizende Erscheinung, hatte ich mich durch die vielen Schicksalsschläge in eine leicht dickliche, verbissene, mürrische und verhärmte Person gewandelt, die gegen sich und ihr Umfeld strenge Maßstäbe in allem Tun und Lassen setzte.


Die Ergebnisse meiner Experimente testete ich meist an den ehemaligen Trägern des Lazarettes, die mein einziger Kontakt zur Außenwelt waren und die meine Drogen mit Begeisterung in den Abendstunden am Lagerfeuer einnahmen um mit ihre Göttern Kontakt aufzunehmen. Die Träger mit ihren Geschichten über den weissen Medizinmann, der aussah wie eine Frau, und der das Tor zu den Göttern in der Hand hielt, begründeten meinen eher berüchtigten Ruf. Auch gaben sie mir den Namen Ernst, weil sie glaubten, ich müsste ein Mann sein. Ich selber aber rühre keinerlei Drogen an, da ich sehr wohl um ihre zerstörerische Kraft weiss und auch kein Interesse daran habe, mit den Göttern zu sprechen.

Etwa ein bis zweimal im Jahr erhalte ich eine Depesche von Hildegard, in der sie die Entwicklung von Wilhelm detailliert schildert. Für diese Nachrichten lebe ich, aber die Schriftstücke, ebenso wie die Existenz' Wilhelms, halte ich geheim. Mein schweres Geheimnis trage ich im wahrsten Sinne des Wortes im und am Herzen (in einer geheimen Tasche in meiner Korsage).


Nicht nur, dass mein Sohn ein Bastard ist, auch ich entstammte einer nicht standesgemäßen Beziehung zwischen einem Arzt und dem Küchenmädchen der Arztfamilie. Meine Herkunft verhinderte den Zugang zu höherer Bildung. Geboren wurde ich in Leipzig, aber ich zog nach Heidelberg, um dort meine Ausbildung in der Krankenpflege zu erhalten. Ich lernte dort den Assistenzarzt, Hans-Walter Maria von Dettendorf, kennen und pflegte damals einen freundschaftlichen Kontakt zu ihm. Ich hoffe, bei meiner Rückkehr in diesem Jahr nach Deutschland über Dettendorf Zugang zur höheren Gesellschaft zu bekommen. Aus meiner Zeit in Heidelberg weiß ich, dass in den Burschenschaften und auch bei den Damen der höheren Gesellschaft ein Interesse für berauschende Drogen bestand.


Insgeheim hoffe ich natürlich, durch den Verkauf der Drogen der Gesellschaft zu schaden, die für mich nur das Leben einer Krankenschwester bereit hielt und die meinen Sohn zu einem Sklaven macht oder ihn für ein wildes Tier hält. Sollen sie doch für ihren eigenen Untergang bezahlen und darüber hinaus meinem geliebten Wilhelm ein Leben in Würde - nämlich mit viel Geld - ermöglichen. Dann wäre mein Leben nicht vergeudet.

Ernestine Gustava Hahman / Krankenschwester
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